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Kanzlei, Rechtsanwalt, Gießen

Was versteht man unter Zugewinnausgleich?

Haben Ehegatten während der Ehe Vermögen hinzugewonnen (Zugewinn erzielt), soll Ihnen dieser gemeinsame wirtschaftliche Erfolg gleichermaßen zugute kommen. Dabei kommt es nicht darauf an, wodurch der wirtschaftliche Erfolg erreicht worden ist, also welcher Ehegatte, welchen Beitrag für das gemeinsame Zusammenleben und die Vermögensbildung erbracht hat.

Gesetzlicher Güterstand ohne Ehevertrag

Zugewinnausgleichsansprüche bestehen zwischen Ehegatten, die im gesetzlichen Güterstand leben, also keinen Ehevertrag geschlossen haben.

Woraus resultiert die Notwendigkeit des Zugewinnausgleichs?

Während der Ehe bleibt das Vemögen getrennt!

Ein großer Teil der Bevölkerung geht irrigerweise davon aus, dass ihr Vermögen nach der Eheschließung gemeinschaftliches wird.
Das ist nicht der Fall. Vielmehr besteht während der Ehe echte Gütertrennung. Jeder Ehegatte hat sein eigenes Vermögen, das sich aus dem zum Zeitpunkt der Hochzeit vorhandenen Vermögen und dem später hinzu gewonnenen zusammensetzt.

Vermögensbildung erfolgt ungleich

Die Entwicklung des Vermögens der Ehegatten kann also vollkommen unterschiedlich verlaufen. Das ist insbesondere bei Alleinverdienerehen der Fall. Hier bildet meist derjenige Ehegatte mehr Vermögen, der eine Vollzeiterwerbstätigkeit ausübt, als der Ehegatte, der beispielsweise wegen der Betreuung gemeinschaftlicher Kinder keine bzw. nur eine Teilzeiterwerbstätigkeit ausübt.

Gleichwertigkeit von Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung für die Vermögensbildung

Dem Gesetzgeber erschien ein Ausgleich dieser unterschiedlichen Vermögensentwicklung gerecht, weil derjenige, der in einer Ehe mit Kindern Vollzeit erwerbstätig ist, das in der Regel nur sein kann, weil der andere Ehegatte die Betreuung der Kinder übernommen und seine berufliche Tätigkeit eingeschränkt hat.
Damit beruht das Einkommen aus der Vollzeiterwerbstätigkeit mittelbar auch auf einer Leistung des anderen Ehegatten, an der dieser deshalb auch beteiligt werden soll.

Wie wird der Zugewinnausgleich durchgeführt?

Im Rahmen des Zugewinnausgleichs ist zunächst zu ermitteln, welchen Vermögenszuwachs jeder Ehegatte während der Ehe für sich erzielt hat.

Maßgeblicher Zeitrahmen: Hochzeit und Tag der Zustellung eines Scheidungsantrags

Dies erfolgt durch einen Vergleich zwischen dem Wert des Vermögens zum Zeitpunkt der Eheschließung, mit dem Wert des Vermögens des jeweiligen Ehegatten zum Zeitpunkt der Zustellung der Scheidungsantragsschrift.

Wer mehr Vermögen bildet muss ausgleichen

Hat einer der beiden Ehegatten während der Ehe mehr Vermögen hinzugewonnen als der andere, ist er verpflichtet, die Hälfte der Differenz durch Zahlung auszugleichen.

Beispiel:

Ein Ehegatte hat am Tag der Hochzeit ein Gesamtvermögen in Höhe von 100.000,00 € (sog. Anfangsvermögen). Am Tag der Zustellung der Scheidungsantragsschrift beträgt sein Vermögen 150.000,00 € (sog. Endvermögen).Während der Ehe hat er also 50.000,00 € Vermögen gebildet.
Der andere Ehegatte hat zum Zeitpunkt der Hochzeit kein Vermögen (kein Anfangsvermögen). Am Tag der Zustellung der Scheidungsantragsschrift beträgt es 20.000,00 € (sog. Endvermögen).
Die Differenz der Vermögensbildung beträgt 30.000,00 €.
Damit besteht ein Zahlungsanspruch in Höhe von 15.000,00 €, um die Differenz des hinzu gewonnenen Vermögens auszugleichen.

Wie wird der Wert des Vermögens für die maßgeblichen Stichtage ermittelt?

Dafür muss man sämtliche Vermögenswerte eines Ehegatten und deren Wert, sowie die Höhe aller seiner Verbindlichkeiten (Schulden) ermitteln. Aus der Differenz ergibt sich der für die Stichtage maßgebliche Vermögenswert.

Differenz von Vermögen und Schulden ist maßgeblich

Man muss also – vereinfacht - fiktiv annehmen, man hätte alles, was zu dem jeweiligen Stichtag im Eigentum eines Ehegatten stand, verkauft und davon alle vorhandenen Verbindlichkeiten abgezogen. Die dann verbleibende Differenz ist der Wert des Vermögens an diesen Tagen.
Der so für den Tag der Hochzeit (so genanntes Anfangsvermögen) ermittelte Wert ist allerdings wegen des seit diesem Zeitpunkt eingetretenen Kaufkraftschwundes (Inflation) an die Kaufkraft des Geldes zum Zeitpunkt der Zustellung der Scheidungsantragsschrift (maßgeblicher Zeitpunkt für das Endvermögen) anzupassen, um zu einem richtigen Ergebnis zu kommen.

Beispiel
Das Vermögen eines Ehegatten beträgt zum Zeitpunkt der Hochzeit am 1. Juni 2001 100.000,00 €. Seitdem hat die Kaufkraft dieses Vermögens inflationsbedingt abgenommen. Der Wert ist daher auf der Grundlage des allgemeinen Verbraucherpreisindex umzurechnen, um ihn mit dem Wert des Endvermögens vergleichen zu können.
Der maßgebliche Stichtag für das Endvermögen soll in diesem Beispiel der 10. Juli 2012 sein. Die Formel für die Umrechnung lautet wie folgt:

Wert des Anfangsvermögens X Indexwert zum Ende Stichtag: Indexwert zum Anfangsstichtag = Indexiertes Anfangsvermögen

Für die Umrechnung sind auf der Basis des Lebenshaltungskostenindexes (2010 = 100) folgende Indexwerte zu verwenden:

  • für das Jahr 2001 beträgt der Indexwert 87,4
  • für das Jahr 2012 beträgt der Indexwert 104,1

Damit ergibt sich auf dieser Basis ein indexiertes Anfangsvermögen in Höhe von 118.835,61 €.

Besteht auch ein Anspruch auf Ausgleich einer während der Ehe erlittenen Vermögensminderung?

Nein, Vermögensminderungen werden nicht ausgeglichen, nur hinzugewonnenes Vermögen.

Beispiel
Ein Ehegatte hat am Anfang der Ehe ein Vermögen von 1 Million €.
Am Ende der Ehe beträgt sein Vermögen lediglich noch 900.000,00 €.
Dieser Ehegatte hat zwar am Ende der Ehe immer noch ein verhältnismäßig hohes Vermögen. Er hat allerdings keines hinzugewonnen. Daher ist er nicht zum Zugewinnausgleich verpflichtet.
Er hat aber auch keinen Anspruch auf Ausgleich seines Verlustes in Höhe von 100.000,00 €.
Hat demgegenüber der andere Ehegatte während der Ehe 20.000,00 € Vermögen hinzugewonnen, ist dieser verpflichtet, diesen Betrag durch Zahlung in Höhe von 10.000,00 € auszugleichen.

Wann liegt eine illoyale Vermögensminderung vor?

Vermindert ein Ehegatte nach der Trennung und vor dem für die Berechnung des Zugewinnausgleichs maßgeblichen Stichtag, dem Tag der Zustellung der Scheidungsantragsschrift, sein Vermögen, kann das den Zugewinnausgleichsanspruch des anderen Ehegatten vermindern. Solche Vermögensminderungen sind rechtlich nur beachtlich, wenn sie nicht illoyal waren.

Eine Verminderung ist gemäß § 1375 II BGB illoyal, wenn durch den Ehegatten eine

  1. eine unentgeltliche Zuwendung vorgenommen worden ist, die keine Anstandsschenkung war,
  2. Vermögen einfach verschwendt worden ist oder
  3. die Vermögensminderung mit Benachteiligungsabsicht gegenüber dem anderen Ehegatten erfolgt ist.

Liegt einer der vorstehenden Fälle vor ist die jeweilige Vermögensminderung dem Endvermögen des Ehegatten hinzuzurechnen, der sie vorgenommen hat. Dadurch erhöht sich sein in der Ehezeit erzielter Zugewinn mit der Folge, dass sich ein höherer Zugewinnausgleichsanspruch für den anderen Ehegatten ergeben kann.

Beispiele für illoyale Handlungen sind nach der Resprechung:

  1. Völlig überzogene Schenkungen an Dritte, beispielsweise ein Neuwagen als Geschenk für den Nachbarn
  2. verbrennen von großen Mengen Bargeld aus Wut und Enttäuschung.

Keine illoyalen Verfügungen sollen beispielsweise darstellen:

  1. Gewährung von Unterhalt an bedürftige Verwandte, obwohl dazu keine gesetzliche Verpflichtung besteht,,
  2. hohe Spenden zu karikativen Zwecken nach Katastrophen,
  3. die Pflege eines aufwändigen Lebensstils nach Trennungn, der zum Verbrauch von Vermögen führt (z.B. teure Urlaube, Kauf teurer Kleidung oder eine aufwändige Sanierung des Gebisses),
  4. Spielverluste im Kasino (Spielen diene dem Amüsement und biete auch Gewinnchancen).

Wann kann ich Zugewinnausgleich verlangen?

Ein Zugewinnausgleichsanspruch wird – von Ausnahmefällen abgesehen – mit Rechtskraft der Scheidung fällig. Ab diesem Zeitpunkt ist er zu erfüllen.
Nach Aufforderung zur Zahlung unter Fristsetzung ist der Anspruch nach Fristablauf mit dem gesetzlichen Zinssatz von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen.

Unterliegen Schenkungen und Erbschaften während der Ehe auch dem Zugewinnausgleich?

Diese Vermögensmehrungen beruhen nicht auf einem Zusammenwirken der Ehegatten und sollen daher nach dem Willen des Gesetzgebers, zumindest hinsichtlich ihrer Substanz, aus dem Zugewinnausgleich ausgenommen werden.

Schenkungen und Erbschaften werden wie Anfangsvemögen behandelt

Das wird dadurch erreicht, dass Schenkungen, die nicht von den Ehegatten stammen, oder Erbschaften so behandelt werden, als ob der betreffende Ehegatte diesen Vermögenswert bereits zum Zeitpunkt der Hochzeit hatte.
Wie beim so genannten Anfangsvermögen ist der Wert der Schenkungen und Erbschaften aufgrund der seitdem eingetretenen Inflation zu indexieren.

Beispiel (ohne Indexierung)

Ein Ehegatte hat am Tag der Hochzeit ein Vermögen in Höhe von 100.000,00 €. Er erbt während der Ehe von seinem Vater ein Vermögen im Wert von 50.000,00 €.
Zum Zeitpunkt der Zustellung der Scheidungsantragsschrift (Stichtag für das Endvermögen) beträgt das Gesamtvermögen 280.000,00 €.
Der Wert des hinzugewonnenen Vermögens ergibt sich wie folgt:
100.000,00 € + 50.000,00 € = 150.000,00 € Anfangsvermögen
Endvermögen 280.000,00 €

Zugewinn: 130.000,00 €.

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