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Kanzlei, Rechtsanwalt, Gießen
04.12.2013

Auch ein Mörder kann seinen Pflichtteil verlangen

Eine Frau hatte einen ihrer Söhne zu ihrem Alleinerben eingesetzt. Ihrem anderen Sohn hatte sie den Pflichtteil im Testament entzogen. Der Pflichtteil ist die eigentlich unmittelbare Teilhabe eines nahen Angehörigen am Nachlass eines Verstorbenen. Er entspricht der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Dieser Pflichtteilsanspruch kann ausnahmsweise entzogen werden, wenn der enterbte nahe Angehörige sich einer schweren Pflichtverletzung gegenüber der verstorbenen Person schuldig gemacht hat.

Zwischen der Mutter und ihrem Sohn war es bereits mehrfach zu körperlichen Auseinandersetzungen gekommen, die die Mutter zur Begründung der Pflichtteilsentziehung im Testament vermerkt hatte. Dieser Sohn hatte eine psychische Erkrankung. Er hatte dann seine Mutter mit einer Eisenstange erschlagen, die Leiche zerstückelt und die Leichenteile im Wald versteckt. 

Trotz dieses Verhaltens hat er von seinem Bruder die Auszahlung seines Pflichtteils verlangt. Der Bruder verweigerte die Zahlung des Pflichtteils unter Hinweis auf die Tat seines Bruders. Er vertrat die Auffassung, dass die Pflichtteilsentziehung durch die Mutter aufgrund der Tötung wirksam war. Ohne Erfolg. Nach einem jahrelangen Rechtsstreit durch mehrere Instanzen entschied der Bundesgerichtshof (Az.: IIV ZR 102/09) auf der Grundlage eines durch die Vorinstanz eingeholten Sachverständigengutachtens, der Pflichtteilsanspruch sei gerechtfertigt. Ein Sachverständiger hatte festgestellt, dass der Bruder zum Zeitpunkt seiner Tat nicht vorsätzlich im Sinne des Gesetzes gehandelt habe. Damit habe es an einem dem Täter vorwerfbaren Verhalten gefehlt, das eine Pflichtteilsentziehung rechtfertigen könne.

 


Joachim Mohr
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht und Familienrecht, Mediator



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