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Kanzlei, Rechtsanwalt, Gießen
23.12.2014
Die Verbindung von Weihnachten und Erbrecht

Die Pflichtteilsergänzung als Weihnachtsüberraschung

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Schenken macht Freude. Deshalb ist jedes Jahr zu Weihnachten der Gabentisch in Familien reich gedeckt. Die Palette der Geschenke reicht von kleinen Aufmerksamkeiten, über liebevoll Selbstgebasteltes bis hin zu teuer erworbenen Sachen. An Weihnachten wird kaum jemand auf den Gedanken kommen, dass ein solches Geschenk nach dem Ableben erbrechtliche Bedeutung bekommen kann. Das kann aber sein und zwar im Pflichtteilsrecht. Der Pflichtteil ist die unentziehbare Teilhabe des Ehegatten oder der Kinder einer verstorbenen Person – sind keine Kinder vorhanden, können auch Eltern diesen Anspruch haben – an dessen Nachlass.

Enterbung oder geringfügiige Zuwendung in einem Testament

Pflichtteilsberechtigt ist derjenige, der durch die verstorbene Person entweder enterbt worden ist oder zumindest testamentarisch weniger erhalten würde, als es der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils entsprechen würde. Der dann gegebene sogenannte ordentliche Pflichtteilsanspruch ist durch Geldzahlung durch den oder die Erben zu erfüllen und ermittelt sich aus dem Wert des Nachlasses am Todestag.

Weiterlgehende Ansprüche wegen Schenkungen zu Lebzeiten

Darüber hinaus können sich aus dem Pflichtteilsrecht weitergehende Ansprüche ergeben, wenn die verstorbene Person zu Lebzeiten Vermögen verschenkt hat, wie das beispielsweise an Weihnachten der Fall ist.
Es handelt sich dabei um den sogenannten Pflichtteilsergänzungsanspruch. Etwas verkürzt ausgedrückt werden zur Ermittlung dieses Anspruchs die Werte aller Zuwendungen der verstorbenen Person in den letzten zehn Jahren vor dessen Ableben an andere Personen den Nachlasswert am Todestag hinzuaddiert. Allerdings wird der Wert der Zuwendung vor der Addition jeweils um 10 % für jedes Jahr vermindert, welches die Zuwendung zurückliegt. Aus dem sich so ergebenden fiktiven Nachlasswert wird der fiktive Pflichtteilsanspruch ermittelt. Davon wird der Wert des ordentlichen Pflichtteils in Abzug gebracht, woraus sich dann der Pflichtteilsergänzungsanspruch ergibt.

Beispiel:
Hat beispielsweise ein Vater seinen Sohn enterbt, könnte dieser durchaus den Gedanken haben, nach dem Ableben seines Vaters zu verlangen, dass die Geschenke, die sein Vater seiner Mutter gemacht hat, bei der Ermittlung seiner Pflichtteilsansprüche zu berücksichtigen, um so seine Nachlassbeteiligung zu erhöhen.
Das Problem hat der Gesetzgeber gesehen und daher geregelt, dass übliche Geschenke (so genannte Anstandsschenkungen) unter Familienangehörigen im Streit um Pflichtteilsansprüche nicht berücksichtigt werden sollen.

Abgrenzungsschwierigkeiten sind gegeben 

Berücksichtigt man aber, dass Ehegatten sich gegenseitig teilweise sehr wertvolle Geschenke machen können, beispielsweise eine Diamantkette mit einem Wert von einigen 1000 €, können sich Abgrenzungsprobleme ergeben.
Es stellt sich die Frage, ob ein solch wertvolles Geschenk noch eine Anstandsschenkungen dar, die für die Ermittlung von Pflichtteilsansprüchen keine Bedeutung hat oder handelt es sich um eine Zuwendung, die über ein übliches Geschenk zwischen Ehegatten hinausgeht und damit der Pflichtteilsergänzung unterliegt?

Maßgeblich sind die persönliche Verhältnisse

Das entscheidende Abgrenzungskriterium sind die persönlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen sich Schenker und Beschenkter bewegen aber hier also die Ehegatten. Sofern der Ehemann sehr hohe Einkünfte und ein großes Vermögen hat, dürfte auch eine wertvolle Diamantkette noch ein übliches Geschenk zu Weihnachten darstellen. Handelt es sich demgegenüber um einen Angestellten mit einfachen Verhältnissen, dem der Erwerb einer Diamantkette wirtschaftlich schwer fällt, ist das nicht der Fall.
Entscheidend sind, wie so oft in der Juristerei und damit auch im Erbrecht die Umstände des Einzelfalls und die Ausübung von Ermessen bei der Bewertung, wie eine Schenkung einzuordnen ist.


Joachim Mohr
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht und Familienrecht, Mediator



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