nach oben
Kanzlei, Rechtsanwalt, Gießen
13.10.2015
Die Bewertung einer vertraglichen Pflegeverpflichtung hat ihre Tücken

Die Übertragung einer Immobilie gegen das Versprechen von Pflegeleistungen hat beiderseits Risiken

Audiodatei abspielen

Menschen werden immer älter. Damit erhöht sich das Risiko ihrer Pflegebedürftigkeit. Pflege ist teuer. Zudem besteht bei dem betroffenen
Personenkreis die Sorge, ihr gewohntes Lebensumfeld verlassen zu müssen, um Pflege erhalten zu können.

Übertragung einer Immobilie gegen das Versprechen von Pflege

Daher entscheiden sich viele ältere Hauseigentümer, Ihre Immobilie frühzeitig auf die nächste Generation oder ihnen nahestehende Personen zu übertragen. Im Gegenzug verpflichten sich die Übernehmer des Hauses im Bedarfsfalle, alltägliche Hilfeleistungen, wie Einkaufen und Haushaltsführung, sowie Pflegeleistungen für die Übergeber – zumeist bis zu deren Ableben – zu erbringen. Zudem behalten sich die Eigentümer an dem Objekt in der Regel ein Wohnrecht vor.

Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung

Dabei wird versucht, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Leistung (Wert des Objektes) und Gegenleistung (Wert der Hilfe – und Pflegeleistungen und des Wohnrechts) herzustellen. Zu diesem Zweck wird anhand  der statistischen Lebenswahrscheinlichkeit der übergebenden Person ermittelt, welchen Wert die zu erbringenden Leistungen und das Wohnrecht voraussichtlich haben.

Statistisches Lebensalter als Maßstab für die Bewertung

Erreicht die übergebende Person das statistische Lebensalter nicht, wirkt sich das für die Übernehmer rein wirtschaftlich betrachtet positiv aus, weil sie weniger Leistungen erbringen müssen, als zu erwarten war. Lebt die Person demgegenüber wesentlich länger, kann der Wert der zu erbringenden Leistungen den Wert des übernommenen Objektes deutlich überschreiten.

Auch scheinbare „Schnäppchen“ können teuer werden

Wie groß das letztere Risiko auch bei scheinbar eindeutigen Fällen sein kann, zeigt der Fall der Französin Jeanne Calment aus Arles. Sie hat im Jahr 1965 im Alter von 90 Jahren ihre Stadtwohnung gegen eine lebenslange Rentenzahlung in Höhe von 2500 Franc pro Monat an den zu diesem Zeitpunkt 47 Jahre alten Rechtsanwalt Raffray übertragen. Der Name des Anwaltes war hier offenbar Programm. Er war sich bei Vertragsschluss vermutlich eines sehr guten Geschäftes sicher. Er irrte jedoch, denn er erlebte das Ende seiner Zahlungsverpflichtung nicht mehr. Er verstarb im Jahre 1995 im Alter von 77 Jahren. Bis zu seinem Ableben hatte der Anwalt bereits rund 900.000 Franc gezahlt, den dreifachen Marktpreis der Wohnung. Seine Witwe und Erbin musste die von ihm geschuldete Rentenzahlung an die noch immer rüstige Jeanne Calment fortsetzen, bis zu deren Ableben 1997 mit 122 Jahren. Frau Calment ist bis heute der Mensch mit der längsten bislang dokumentierten Lebensspanne.

Tipp des Erbrechtsexperten Joachim Mohr

Zur Vermeidung solcher Risiken kann vertraglich eine Anpassung vorgesehen werden für den Fall, dass bestimmte Bedingungen eintreten, die zu pflegende Person beispielsweise ein bestimmtes Alter erreicht. Die Pflegeverpflichtung und das Wohnrecht können auch von vornherein auf eine bestimmte Höchstdauer beschränkt werden.

 


Joachim Mohr
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht und Familienrecht, Mediator



← zurück
Diese Website nutzt Cookies, um die bestmögliche Funktionalität bieten zu können. Mehr Informationen