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Kanzlei, Rechtsanwalt, Gießen
02.02.2016
Vorsätzliche Tötung des Ehegatten

Zugewinnausgleichsanspruch trotz Erbunwürdigkeit?

Die vorsätzliche Tötung eines Menschen hat nicht nur strafrechtliche, sondern auch zivilrechtliche Konsequenzen. Sie ist beispielsweise Erbunwürdigkeitsgrund (§ 2339 I Nr. 1 BGB): Ein Totschläger oder Mörder soll nicht Erbe seines Opfers werden. Das gilt in der Regel sogar bei Sterbehilfe.

Etwas anderes gilt überraschenderweise nach herrschender Meinung aber für den Zugewinnausgleichsanspruch des seinen Ehegatten tötenden Ehegatten.

Grundlagen der Zugewinngemeinschaft

Sofern die Ehegatten keinen besonderen Güterstand vereinbart haben, leben sie im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§ 1363 I BGB). Entgegen einer weitverbreiteten Fehlvorstellung führt dieser Güterstand nicht dazu, dass die Eheleute von nun an gemeinsames Eigentum bilden. Solange die Zugewinngemeinschaft besteht, ist sie vielmehr eine besondere Form der Gütertrennung: Jeder Ehegatte bleibt Eigentümer seiner Sachen; das gilt für in die Ehe Eingebrachtes genau wie für nach der Eheschließung Erworbenes (§ 1363 II 1 BGB). Erst wenn die Zugewinngemeinschaft endet – in der Regel durch Scheidung oder Tod – wird der von beiden Ehegatten in der Ehe erzielte Zugewinn zum Ausgleich gebracht (§ 1363 II 2 BGB).

Zugewinnausgleichsanspruch trotz vorsätzlicher Tötung

Nach umstrittener, aber wohl noch herrschender Meinung lässt die vorsätzliche Tötung des eigenen Ehegatten einen etwaigen Zugewinnausgleichsanspruch nicht automatisch entfallen. Das mutet auf den ersten Blick seltsam an. Dogmatisch ist die unterschiedliche Bewertung beider Konstellationen aber konsequent:

Das Erbrecht betrifft den Vermögensübergang beim Tode eines Menschen. Der Erbe muss zu dem, was er erhält, nichts beigetragen haben. Das Erbe kommt gewissermaßen einseitig daher. Der Zugewinnausgleichsanspruch trägt dagegen dem Gedanken Rechnung, dass nach Ende der Zugewinngemeinschaft – im Regelfall also nach dem Ende der Ehe – beide Gatten an den in der Ehe erworbenen Vermögenswerten teilhaben sollen. Schließlich haben die Eheleute diese Vermögenswerte gemeinsam geschaffen – ob durch Berufstätigkeit oder die Haushaltsführung.

Während der Verlust der Erbenstellung wegen Erbunwürdigkeit den Täter also keiner sicheren Position beraubt, würde die Entziehung des Zugewinnausgleichsanspruchs einer Entziehung des eigenen Vermögens gleichkommen. Eine solche „strafrechtliche Sanktion“ sieht das BGB aber nicht vor. Die Bestrafung für die – ohne Zweifel verwerfliche Tötung des eigenen Gatten – ergibt sich aus dem Strafgesetzbuch und ist Sache der Strafgerichte.

Ausnahme: Besondere Verwerflichkeit

Ausnahmsweise kann die Erfüllung des Zugewinnausgleichsanspruchs aber von den Erben des getöteten Ehegatten verweigert werden (§ 1381 BGB). Hierfür muss sie grob unbillig sein. Grob unbillig ist die Erfüllung des Zugewinnausgleichs nach herrschender Meinung jedenfalls dann, wenn die Tötung des Ehegatten besonders verwerflich war. Wann eine Tötung besonders verwerflich war, ist letztlich im konkreten Einzelfall zu prüfen: Bei einer dem mutmaßlichen Willen des Getöteten entsprechenden Sterbehilfe wird sie wohl zu verneinen sein; bei einer besonders gewaltsamen Tötung dagegen wohl zu bejahen.

Fazit des Fachanwalts für Erb- und Familienrecht Joachim Mohr

Die vorstehende Problematik zeigt, dass dem Zivilrecht Vorschriften mit Strafcharakter fremd sind. Das gilt auch für die Erbunwürdigkeit. Sie ist weniger als Bestrafung des Tötenden zu verstehen, als vielmehr Ausdruck des vom Gesetzgeber vermuteten Erblasserwillens: Hätte dieser die Möglichkeit gehabt, hätte er die Person, die ihm das Leben nimmt, sicher nicht als Erbe bedacht.

Diese vom Gesetzgeber vorgesehene Differenzierung ist insbesondere für den juristischen Laien schwer zu verstehen. Im Ergebnis trägt sie aber den verschiedenen Interessen Rechnung und ermöglicht eine im Ergebnis gerechte Entscheidung.


Joachim Mohr
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht und Familienrecht, Mediator



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