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Kanzlei, Rechtsanwalt, Gießen
24.03.2016
Anforderungen an die Errichtung eines Nottestaments

Wirksamkeit des Drei-Zeugen-Testaments

Die Errichtung eines Testaments erfolgt in aller Regel entweder zur Niederschrift vor einem Notar (sogenanntes öffentliches oder notarielles Testament, § 2232 BGB) oder durch die eigenhändige Niederschrift der letztwilligen Verfügung (sogenanntes eigenhändiges oder privatschriftliches Testament, § 2247 BGB).

Die Errichtung solcher sogenannter ordentlicher Testamente ist allerdings nicht immer möglich. Manchmal bleibt dem Erblasser hierfür schlicht keine Zeit mehr. Hier ist an Fälle zu denken, in denen der Erblasser völlig unerwartet schwer erkrankt oder verunfallt und sein Ableben unmittelbar bevorsteht. Ist dann kein Notar erreichbar, kann der Erblasser zwar noch immer ein eigenhändiges Testament errichten. Diese Option ist in Fällen schwerer Krankheit aber regelmäßig eher theoretischer Natur.

Diesen Problemen hat der Gesetzgeber Rechnung getragen, indem er die Möglichkeit geschaffen hat, außerordentliche Testamente, sogenannte Nottestamente, zu errichten.

Außerordentliche Testamente: Nottestamente

Insgesamt kennt das Bürgerliche Gesetzbuch drei Formen des Nottestaments:

  1. das Bürgermeistertestament, § 2249 BGB
  2. das Drei-Zeugen-Testament, § 2250 BGB
  3. das Seetestament, § 2251 BGB

Gemeinsame Voraussetzung aller Nottestamente ist, dass sich der Erblasser in Todesgefahr befindet und die Besorgnis besteht, dass ein Notar zur Errichtung eines öffentlichen Testaments nicht mehr rechtzeitig hinzugezogen werden kann.

Sind diese Voraussetzungen gegeben, wird die zur Errichtung eines öffentlichen Testaments an sich erforderliche Mitwirkung eines Notars ersetzt: Beim Bürgermeistertestament tritt der Bürgermeister oder einer seiner Vertreter an die Stelle des Notars; beim Drei-Zeugen-Testament sowie dem Seetestament wird der Notar durch drei Zeugen, die nicht Erbe seien dürfen, ersetzt. Der Bürgermeister bzw. die Testamentszeugen übernehmen dann die Beurkundungsfunktion, da die amtliche Urkundsperson – der Notar – fehlt.

Die Ersatzpersonen müssen die mündliche Erklärung des Erblassers schriftlich niederlegen und dem Erblasser zur Genehmigung vorlesen. Soweit der Erblasser noch schreibfähig ist, muss er das Testament unterzeichnen; die Ersatzpersonen müssen dies in jedem Fall. Das Fehlen auch nur einer dieser Voraussetzung macht das Nottestament unheilbar nichtig.

Dass für den juristischen Laien die Errichtung eines wirksamen Nottestaments schwierig ist, zeigt die folgende Entscheidung des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 25.06.2015, Az. Wx 224/14).

Drei-Zeugen-Testament?

Ende September 2013 fühlte die schwerkranke kinderlose und verwitwete Erblasserin ihr Ende nahen. Da sie nicht mehr richtig schreiben konnte, bat sie ihre Cousinen C1 und C2 unter anderem zwecks Testamentserrichtung ins Krankenhaus zu kommen. Die Cousinen kamen dieser Bitte auch nach: Am 30.09.2013 erklärte die Erblasserin schließlich ihren letzten Willen – die Einsetzung ihres Patenkindes P als Alleinerben –gegenüber einer anwesenden Krankenschwester, den beiden Cousinen und ihrem langjährigen Bankberater. Die C1 schrieb den letzten Willen der Erblasserin unter den Augen der der oben genannten Personen als „handschriftliches Testament“ der Erblasserin nieder; diese unterzeichnete das Testament. Die Krankenschwester bestätigte die Unterschrift der Erblasserin mit ihrer eigenen. Am 02.12.2103 verstarb die Erblasserin.

Nichts Halbes und nichts Ganzes – Testament vor Zeugen oder eigenhändiges Testament

Nach nicht zu beanstandender Auffassung des Oberlandesgerichts war das Testament – und damit auch die Erbeinsetzung des Patenkinds – unwirksam:

Da das Testament von der Erblasserin lediglich unterschrieben, aber gerade nicht eigenhändig niedergeschrieben wurde, handelt es sich jedenfalls nicht um ein eigenhändiges Testament i.S.v. § 2247 BGB.

Das Oberlandesgericht hat in dem Schriftstück vom 30.09.2013 aber auch kein Nottestament i.S.v. § 2250 BGB erblickt. Denn obgleich eine ausreichende Anzahl von Zeugen bei der Testamentserrichtung anwesend waren (Krankenschwester, zwei Cousinen, Bankberater), gingen die Anwesenden wegen der von C1 gewählten Bezeichnung davon aus, dass ein handschriftliches Testament errichtet werden sollte. Ihnen fehlte daher der Wille, das Testament zu beurkunden. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass nicht alle vermeintlichen „Zeugen“ das Testament selbst unterschrieben haben. Somit hat das Oberlandesgericht völlig korrekt entschieden, dass das Testament vom 30.09.2013 nichtig ist.

Fazit des Fachanwalts für Erbrecht Joachim Mohr

Für die Errichtung eines Testaments ist es zwar (fast) nie zu spät. Ein Nottestament ist und bleibt aber was der Name vermuten lässt: ein Instrument für den Notfall. Das zeigt nicht zuletzt die eingeschränkte Wirksamkeitsdauer: Ein Nottestament wird unwirksam, wenn der Erblasser drei Monate nach der Errichtung noch lebt (§ 2252 BGB).

Erblasser, die von der gesetzlichen Erbfolge abweichen wollen, sollten dies möglichst frühzeitig und „in Ruhe“ tun – durch Errichtung eines eigenhändigen oder notariellen Testaments – ggf. nach Beratung durch Rechtsanwalt und/oder Notar.

Zudem darf der Erblasser nicht dem Irrglauben aufsitzen, ein Nottestament sei „leichter“ zu errichten, als ein ordentliches Testament. Das Gegenteil ist der Fall: Insbesondere wenn juristische Laien beteiligt sind, stehen der Wirksamkeit des Nottestaments – trotz größter Bemühungen aller Beteiligten – oftmals bereits kleine Formverstöße entgegen. Das zeigt besonders anschaulich der oben stehende Fall.


Joachim Mohr
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht und Familienrecht, Mediator



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