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Kanzlei, Rechtsanwalt, Gießen
05.04.2016
Was tun beim „Liebes-Aus“ …

Löschungsanspruch von Nacktbildern und Sexvideos

Heute verfügt jeder Besitzer eines Smartphones über eine vergleichsweise leistungsstarke Foto- und Filmkamera. Dementsprechend hat sich auch das Nutzerverhalten geändert: Während im Zeitalter der Analogaufnahmen noch bewusster fotografiert bzw. gefilmt wurde – Filmmaterial und Entwicklung kosteten Geld – werden heute Aufnahmen viel willkürlicher gemacht. Dank schneller und überall verfügbarer Internetverbindungen können Fotos und Videos bereits Sekunden nach der Aufnahme in die ganze Welt versendet oder in sozialen Netzwerken eingestellt werden.

Diese Entwicklung macht auch im Schlafzimmer nicht halt: Schnell werden auch hier sehr intime Momente fotografisch und filmerisch festgehalten. Das ist an sich nicht ehrrührig. Probleme entstehen allerdings häufig dann, wenn die Beziehung in die Brüche geht; hierzu ein Fall, der dem BGH zur Entscheidung vorlag (Urteil vom 13.10.2015, Az. VI ZR 271/14):

Nacktfotos und Sexfilme

Die Parteien des Rechtsstreits führten eine intime Liebesbeziehung. Der Beklagte, von Beruf Fotograf, machte während dieser Zeit zahlreiche Bild- und Filmaufnahmen von der Klägerin. Neben ganz alltäglichen Aufnahmen fertigte er auch Nacktbilder und Videos, auf denen die Klägerin unbekleidet oder knapp bekleidet vor, während und nach dem Geschlechtsverkehr mit dem Beklagten zu sehen ist. Darüber hinaus machte die Klägerin auch selbst solche intimen Aufnahmen, die sie dem Beklagten digital zur Verfügung stellte. Nach dem Ende der Beziehung verlangte die Klägerin von dem Beklagten unter anderem die Löschung sämtlicher Nacktbilder und Sexvideos.

Der Beklagte verweigerte die Löschung. Er war der Meinung, die Klägerin könne ihre Einwilligung zur Erstellung der Aufnahmen nicht widerrufen. Im Übrigen seien die Bilder von der Kunstfreiheit geschützt (Art. 5 III GG). Außerdem wolle er die Bilder nur privat behalten und nicht veröffentlichen.

Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht

Der Bundesgerichtshof war – wie im Übrigen auch die zuerst angerufenen Instanzgerichte –anderer Auffassung: Das höchste deutsche Zivilgericht sprach der Klägerin einen Löschungsanspruch zu (§§ 823 I, 1004 BGB). Dieser bestehe, da das allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG) der Klägerin verletzt sei. Als Teil der Intimsphäre sei die Sexualität dem innersten Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzuordnen. Sie genieße daher einen überragend bedeutenden, absoluten Schutz. Eine Abwägung mit anderen Grundrechten – etwa der Kunstfreiheit (Art. 5 III GG) oder der Eigentumsgarantie (Art. 14 I GG) – komme hier nicht in Betracht. Dies gelte selbst dann, wenn der Beklagte die Bilder nicht veröffentlichen will.

Etwas anderes folge auch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin einige Aufnahmen selbst gemacht hat und mit den Aufnahmen des Beklagten im Übrigen einverstanden gewesen sei. Ihre Einwilligung sei zeitlich auf die Dauer der zwischen den Parteien bestehenden Beziehung beschränkt gewesen. Mit dem Beziehungsende sei sie entfallen.

Extremfall: Rachepornos („revenge porn“)

Die oben genannte Entscheidung hatte nur eine zivilrechtliche Dimension: Allerdings können private „Sexaufnahmen“ auch strafrechtlich relevant werden. Insbesondere im anglo-amerikanischen Raum mussten sich Gerichte in der Vergangenheit mit sogenannten Rachepornos (revenge porn) befassen. Unter diesem Begriff versteht man die Veröffentlichung von privaten Nacktaufnahmen oder Sexfilmen durch den verlassenen Ex-Partner im Internet.

Der Deutsche Gesetzgeber hat dieser Problematik Anfang 2015 durch Einführung eines neuen Straftatbestandes, § 201a StGB (Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen), Rechnung getragen.

Fazit des Fachanwalts für Familien- und Erbrecht Joachim Mohr

In jedem der oben genannten Fälle bleibt ein tatsächliches Problem: Die Vollstreckung des Löschungsanspruchs wird sich aus tatsächlichen Gründen in aller Regel sehr schwierig gestalten; es wird kaum zu verhindern sein, dass ein technisch versierter Ex-Partner Kopien der fraglichen Bilder oder Filme (heimlich) für sich behält.

Noch schlimmer ist die Situation aber, wenn die Aufnahmen bereits im Internet veröffentlicht wurden. Einmal ins Netz gestellt, können sie nur in den seltensten Fällen wieder restlos aus dem Internet entfernt werden. Dem geschädigten Ex-Partner bleiben dann zwar Schadensersatzansprüche. Zudem wird sich der veröffentlichende Ex-Partner in aller Regel strafbar gemacht haben (§ 201a StGB). Ein mit der Veröffentlichung solcher höchstprivaten Aufnahmen verbundene Reputationsverlust – etwa am Arbeitsplatz oder in der Familie – lässt sich jedoch weder durch die Zahlung von Schadensersatz noch durch die Verurteilung des Täters rückgängig machen. Ein wohlüberlegter Umgang mit derartig intimen Aufnahmen ist folglich dringend zu empfehlen.


Joachim Mohr
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht und Familienrecht, Mediator



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