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Kanzlei, Rechtsanwalt, Gießen
21.01.2019
Unzumutbare Härte

Scheidung vor Ablauf des Trennungsjahres

Grundsätzlich kann eine Ehe erst dann geschieden werden, wenn die Ehegatten das sog. Trennungsjahr eingehalten haben. Während dem Trennungsjahr müssen die Ehegatten zwar nicht häuslich voneinander getrennt leben, es darf jedoch keine gemeinsame Haushaltsführung bestehen („Trennung von Tisch und Bett“). Ausnahmsweise kann eine vorzeitige Scheidung dann erfolgen, wenn die Fortführung der Ehe für einen Ehepartner eine unzumutbare Härte darstellen würde. Dies hatte jetzt das OLG Oldenburg (4 UF 44/18) im Falle von Beleidigungen und Gewalttätigkeiten bestätigt.

Vorzeitige Scheidung aufgrund von Demütigungen und Gewalttätigkeiten

Die Ehegatten haben sich im September 2017 voneinander getrennt. Im Februar 2018 wurde die Ehe durch Beschluss des Familiengerichts geschieden. Nach Anhörung der Ehegatten sowie der beiden Kinder kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass der Ehemann seine Frau beleidigt und tätlich angegriffen habe.

Gegen diesen Beschluss erhob der Ehemann – letztlich erfolglos – Beschwerde. Er sei der Auffassung, dass das Trennungsjahr noch nicht abgelaufen und die Ergebnisse der Zeugenvernehmungen fehlerhaft gewürdigt worden seien.

Aus den Gründen

Laut dem Gericht müsse sich die unzumutbare Härte für den anderen Ehegatten nicht auf die Aufrechterhaltung der ehelichen und häuslichen Gemeinschaft beziehen, sondern vielmehr auf die des „formellen Ehebandes“. Dieses sei durch die hier erfolgten Ehrverletzungen, Beleidigungen und Gewalttätigkeiten gegen die Ehefrau tangiert.

Laut Aussage des 25-jährigen Sohnes habe der Ehemann auch ihm während einem Streit im September 2017 eine Ohrfeige gegeben und die Ehefrau aufgrund ihrer Schlichtungsversuche geschüttelt. Infolgedessen erlitt die Ehefrau einen Krisenanfall, sodass die Polizei und ein Rettungswagen bestellt werden mussten. Das Gericht befindet die Zeugenaussagen für glaubhaft. 

Unrichtig übersetzte Beleidigungen

Der Ehemann rügte die wörtliche Übersetzung seiner Beleidigungen, die er der Ehefrau in türkischer Sprache entgegenbrachte. Eine kulturelle Übersetzung ließe die Beleidigungen seiner Auffassung nach milder erscheinen. Dies wies das Gericht jedoch mit Hinweis auf den Vorfall im September 2017 zurück. Hieran lasse sich erkennen, wie sehr die Ehefrau unter dem Verhalten des Ehemannes gelitten habe.

Die Ehe kann in diesem Fall somit vor Ablauf des Trennungsjahres geschieden werden.

Fazit

Das Trennungsjahr soll sicherstellen, dass ein Aufrechterhalten des Ehebundes nach dessen Ablauf ausgeschlossen ist und die Ehe somit endgültig gescheitert ist. Um überstürzte Entscheidungen zu verhindern, sollte das Trennungsjahr deshalb eingehalten werden. Der hier vom OLG Oldenburg entschiedene Fall stellt jedoch ein Beispiel für eine unzumutbare Härte für den Antragsteller, die eine vorzeitige Scheidung zulässt, dar.

 

 

 


Joachim Mohr
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht und Familienrecht, Mediator



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