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Kanzlei, Rechtsanwalt, Gießen
31.01.2019
Schicksal des Ehegattentestaments bei Vorliegen der Scheidungsvoraussetzungen

OLG Oldenburg zur Unwirksamkeit eines Ehegattentestaments

Für Ehepaare und Paare in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft besteht die Möglichkeit, ein gemeinschaftliches Testament zu errichten. Es handelt sich hierbei um einzelne Verfügungen, die in einer gemeinsamen Urkunde zusammengefasst werden. Eine Besonderheit stellt dabei die Formerleichterung hinsichtlich der Errichtung dar. Hierfür genügt es, wenn ein Ehegatte das Testament in der vorgeschriebenen Form errichtet und der andere die gemeinschaftliche Erklärung handschriftlich mitunterzeichnet. Hinzuzufügen sind Zeit und Ort der Unterzeichnung. Nicht zuletzt treffen Ehegatten oft auch wechselbezügliche Verfügungen, also solche, die der eine nicht ohne die des anderen getroffen hätte. Ein Widerruf einer solchen Verfügung hat dann die Unwirksamkeit der anderen zur Folge. Als Sonderform des Ehegattentestaments ist vor allem das Berliner Testament beliebt, bei dem sich die Ehegatten wechselseitig als Erben einsetzen und das Erbe mit dem Tod des Längstlebenden den Kindern zufallen soll. Doch was geschieht mit einem Ehegattentestament, wenn die Ehe zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits rechtskräftig geschieden wurde oder zumindest ein Scheidungsverfahren anhängig ist?

Die Antwort hierauf hat das OLG Oldenburg (3 W 71/18).

Wer hatte Recht?

Hier hatten sich die Eheleute in einem Testament vom Februar 2012 gegenseitig zu Alleinerben und ihre Tochter als Schlusserbin des Längstlebenden eingesetzt. Seit Anfang 2013 lebten die Ehegatten jedoch getrennt. Breits im Juli 2013 errichtete der Ehemann ein neues Testament, in dem er seine Ehefrau enterbte und seine Tochter als Alleinerbin einsetzte. Dem von der Ehefrau Anfang 2015 eingereichten Scheidungsantrag stimmte der Ehemann im April 2016 zu.

Während die Tochter des Erblassers der Meinung war, dass das damalige gemeinschaftliche Testament aufgrund des anhängigen Scheidungsantrags unwirksam sei, vertrat dessen Ehefrau die Ansicht, dass ihr Ehemann die Zustimmung zum Scheidungsantrag wirksam widerrufen hatte, sodass das ältere Testament weiterhin Wirkung entfalte.

Das Gericht bestätigte die Auffassung der Tochter. Es verwies auf Vorschriften des BGB, welche den Inhalt haben, dass ein gemeinschaftliches Testament unwirksam ist, wenn die Ehe entweder vor dem Tode des Erblassers aufgelöst wurde oder aber die Voraussetzungen für eine Scheidung im Todeszeitpunkt vorlagen und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hat.

Widerruf der Zustimmung zur Scheidung entscheidend

Die Voraussetzungen der Unwirksamkeit des älteren Testaments seien vorliegend erfüllt. Zum Zeitpunkt des Todes des Ehemannes lebten die Eheleute bereits drei Jahre getrennt. Dies begründe unwiderlegbar ein endgültiges Scheitern der Ehe. Zwar habe der Ehemann in einem Termin im März 2017 erklärt, dass man in der Mediation „einen Ansatz sehe“ an der Ehe zu „arbeiten“ und er das Aussetzen des Scheidungsverfahrens anstrebe. Dies stelle laut dem Gericht jedoch weder einen ausdrücklichen noch einen schlüssigen Widerruf der Scheidungszustimmung dar. Der Ehemann wolle lediglich eventuelle Entwicklungsänderungen nicht außer Betracht lassen. Hinzu komme, dass ein Widerruf auch keine rechtlichen Auswirkungen gehabt hätte, da die Eheleute bereits drei Jahre getrennt lebten.

Im Januar 2017 erklärte der Rechtsanwalt des Mannes, dass er der Scheidung widersprechen „wird“. Da er der Scheidung jedoch bereits zugestimmt hatte, kann auch daraus nicht zweifelsfrei ein Widerruf, sondern allenfalls eine Ankündigung herausgelesen werden. Auch eine ähnlich lautende Behauptung vor dem Notar konnte letztlich nicht festgestellt werden.

Auf die Vorstellung des Erblassers kommt es an

Die Verfügungen könnten nur dann weiterhin Bestand haben, wenn der Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung die Verfügungen auch dann treffen wollte, wenn die Ehe im Todesfall nicht mehr besteht, bzw. die Scheidungsvoraussetzungen vorliegen und der Erblasser die Scheidung beantrag oder ihr zugestimmt hat. Davon geht das Gericht jedoch nicht aus. Insbesondere die Errichtung eines neuen Testaments nach der Trennung zugunsten der Tochter spräche gegen eine solche Auslegung.

Aufgrund der festgestellten Unwirksamkeit des gemeinschaftlichen Ehegattentestaments wird folglich nur die Tochter des Erblassers erfolgreich den begehrten Erbschein beantragen können.


Joachim Mohr
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht und Familienrecht, Mediator



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