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Kanzlei, Rechtsanwalt, Gießen
03.04.2019
Ärger in der Erbengemeinschaft

Nutzungsentschädigungsanspruch eines Miterben

Innerhalb einer Erbengemeinschaft können die Miterben eine Neuregelung der Verwaltung und Nutzung von Nachlassgegenständen verlangen. Um die Auslegung des Begriffes „Verlangen“ stritten sich nun zwei Brüder vor dem OLG Stuttgart (19 U 83/18).

 

Beklagter: Anforderungen an eine Neuregelung wurden verkannt

Im vorliegenden Fall nutzte einer der Brüder sowohl eine Wohnung mit zugehörigen Garagen als auch landwirtschaftliche Flächen, die in den Nachlass der verstorbenen Mutter fallen, für sich. Nun forderte der andere hierfür eine Nutzungsentschädigung in Höhe von rund 22.000 Euro zzgl. Zinsen. Der Beklagte hielt dem jedoch die die Verkennung der Anforderungen an eine Neuregelung für die Verwaltung oder Nutzung von Nachlassgegenständen entgegen.

Er vertrat unter Berufung auf die obergerichtliche Rechtsprechung die Ansicht, dass man ihn ausdrücklich vor die Option der Zahlung oder des Auszugs hätte stellen müssen. Zudem sei die bloße Zahlungsaufforderung nicht ausreichend für ein Neuregelungsverfahren und auch die Höhe einer Nutzungsentschädigung läge im Ermessen der Miterben.

 

Provokation oder gutes Recht?

Das Verlangen einer Entschädigung sei seiner Auffassung nach auch deswegen unbegründet, weil der Kläger weder eine Eigennutzung noch eine Nutzung durch einen Dritten wünsche.

Es sei absurd, dass der Kläger nach 20 Jahren eine Entschädigung verlange, die der Beklagte später wieder zurück erhalte. Ferner habe man dem Kläger die Mieteinnahmen für die untere Wohnung angeboten, die der Höhe des begehrten Anspruchs entsprächen. Die Ablehnung des Angebots durch den Kläger mache nur deutlich, dass er seinem Bruder und dessen Familie das Leben erschweren wolle.

Das Gericht kam jedoch zu dem Schluss, dass ein Nutzungsentschädigungsanspruch des Klägers trotz vorgebrachter Einwände besteht.

 

Problematik des „Verlangens“ einer Neuregelung

Laut den Ausführungen des OLG sei es grundsätzlich möglich, eine Neuregelung zu verlangen, soweit keine Vereinbarung oder ein Mehrheitsbeschluss diesbezüglich getroffen wurde. So lag der Fall auch hier. Die Überlassung der streitigen Nachlassgegenstände erzeuge keine Bindungswirkung für den Kläger.

Das Verlangen des Klägers sei auch hinreichend deutlich gemacht worden. Seit September 2015 habe er den Beklagten dazu aufgefordert, Mietzahlungen aufgrund der Wohnungsnutzung an die Erbengemeinschaft zu zahlen. Die Option „Auszug oder Zahlung“ sei laut älterer Rechtsprechung nicht zwingend. Eine Nutzungsentschädigung könne auch erst ab einem späteren Zeitpunkt verlangt werden, nicht jedoch für ein Zeitraum, der vor dem Verlangen liege. Dies bestätigte sogar der Bundesgerichtshof im Falle eines Schreibens, das auf Auskunft gerichtet war und keine konkrete Aufforderung zur Zahlung enthielt.

 

Interessen der Miterben wurden gewahrt

Ferner entspreche die Neuregelung laut dem OLG auch dem Interesse aller Miterben.

 

Angebot zur Zahlung der Mieteinnahmen

Der Beklagte verkenne überdies, dass ihm aufgrund seiner Stellung als Miterbe kein volles alleiniges Nutzungsrecht an der Wohnung im 1. Geschoss zustehe und der Kläger ebenso wenig ein solches Recht an der vermieteten Erdgeschosswohnung innehabe. Folglich sei der Verweis auf die Bereitschaft zur Herausgabe der Mieteinnahmen nicht ausreichend.

 

Kein rechtsmissbräuchliches Verhalten

Das mangelnde Eigeninteresse an der Nutzung der Objekte stand dem Anspruch des Klägers ebenso wenig entgegen wie das Vorliegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens. Dieses liege nämlich nur vor, wenn die bloße Schädigung des anderen ohne eigenen Vorteil intendiert ist. Hierfür lagen dem Gericht jedoch keine Anhaltspunkte vor.

Insgesamt gelten die Ausführungen auch für die in Rede stehenden landwirtschaftlichen Flächen.

 

Praxistipp

Bis zur Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft haben die Miterben den Nachlass gemeinschaftlich zu verwalten. Eine Neuregelung der Verwaltung kann jederzeit von den Miterben verlangt werden, soweit kein Mehrheitsbeschluss oder eine vorher getroffene Vereinbarung hinsichtlich der Durchführung der Verwaltung vorliegt. Handelt es sich um Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung - wie im vorstehenden Fall - kann eine Neuregelung durch einfache Stimmenmehrheit herbeigeführt werden.

Kollidierende Interessen sind in Erbengemeinschaften keine Seltenheit. Schließlich hat man sich diesen Zusammenschluss nur bedingt freiwillig ausgesucht, indem man das Erbe jedenfalls nicht ausgeschlagen hat. Die Miterben, mit denen man dann die Erbengemeinschaft bildet, wurden jedoch entweder durch den Erblasser selbst oder das Gesetz bestimmt, wenn der Erblasser oder die Erblasserin keine Verfügungen von Todes wegen getroffen hat.

Die effektivste Methode zur Verhinderung von Mühlseligkeiten und Streitereien stellt hingegen nach wie vor die Anordnung einer Testamentsvollstreckung dar. Ein sorgfältig ausgesuchter Testamentsvollstrecker agiert dann als Treuhänder des Nachlasses und verwaltet diesen - ggf. unter Berücksichtigung von getroffenen Anordnungen des Erblassers - für die Erbengemeinschaft. Konsequenterweise sollte hierfür eine am Nachlass unbeteiligte Person bestellt werden, um auch hierbei Streitigkeiten zu vermeiden.

 

 


Joachim Mohr
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht und Familienrecht, Mediator



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