nach oben
Kanzlei, Rechtsanwalt, Gießen
04.02.2019
Erbe "verschenkt und versoffen"

Verschwendung des Erbes kann die Rückzahlung von ALG II-Leistungen begründen

Ob die Verschwendung eines Erbes Ersatzansprüche über Geldleistungen der Grundsicherungen für Arbeitsuchende (kurz ALG II) auslöst, hatte nun das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen zu klären (L 13 AS 111/17).

Der 1967 geborene Kläger bezog seit 2005 von dem Beklagten Leistungen nach dem SGB II. Im Februar 2011 beerbte er als Alleinerbe seinen Onkel und erhielt in diesem Zuge einen Nachlass im Wert von insgesamt rund 200.000 Euro, der sich aus Immobilien und Geldvermögen zusammensetzte. Auf Grund dessen erhielt der Kläger ab April 2011 keine weiteren Leistungen mehr. Bereits im August 2012 stellte der Kläger wegen des verbrauchten Erbes einen erneuten Leistungsantrag, der ihm jedoch aufgrund fehlender Unterlagen versagt wurde.

Seinen zweiten Antrag im Mai 2013 begründete er damit, dass er einkommens- und vermögenslos sei, da er mithilfe des Nachlasses 6.000 Euro Schulden beglichen habe und den Rest für seinen Lebensunterhalt, Sozialversicherungsbeiträge und private Anschaffungen genutzt habe. Hierauf bewilligte der Beklagte Leistungen nach dem SGB II bis April 2016.

Sozialwidriges Verhalten

Im August 2013 wurde der Kläger jedoch bezüglich etwaig bestehender Ersatzansprüche nach dem SGB II angehört, da der Beklagte nun der Auffassung war, dass der Kläger seine Hilflosigkeit selbst herbeigeführt hatte. Der Beklagte sah in dem verschwenderischen Lebensstil ein grob fahrlässiges Verhalten des Klägers, welches als sozialwidrig im Sinne des SGB II einzustufen sei.

Auf das Schreiben, das den Kläger zum Ersatz der Leistungen seit Mai 2013 aufforderte, legte der Kläger Widerspruch ein und begründete diesen mit einer bestehenden Alkoholkrankheit. Nachdem der erste Bescheid bestandskräftig geworden war, erhob der Kläger gegen die weiteren vier Klage. In den Klageverfahren behauptete er, dass er aufgrund seiner Alkoholerkrankung nicht in der Lage war, kontrolliert zu handeln, wenngleich er durch den Kauf seiner Wohnung versucht habe, vorzusorgen. Laut eigener Aussage habe er das Erbe aber letztlich „verschenkt und versoffen“.

Nachdem den Klagen des Klägers aufgrund der formellen Rechtswidrigkeit der Bescheide stattgegeben wurde, legte der Beklagte Berufung ein. Diese hatte teilweise Erfolg. Die vier vom Kläger angegriffenen Bescheide wurden als rechtmäßig eingestuft, sodass die vorherigen Urteile abzuweisen sind.

 

Das Erbe hätte für sieben Jahre gereicht

Ein alleinlebender, nicht erwerbstätiger Mann verbrauche laut einer Erhebung des Statistischen Bundesamts ca. 2.100 Euro im Monat. Würde man dies auf die dem Kläger zur Verfügung stehende Erbschaftssumme umrechnen, hätte er davon sieben Jahre und sieben Monate leben können. Die Herbeiführung völliger Mittellosigkeit innerhalb von zwei Jahren sei auf Geldverschwendung zurückzuführen. Unwirtschaftliches Verhalten stelle auch nach dem SGB II eine Pflichtverletzung dar.

Der Kläger hätte damit rechnen müssen, dass er bei Fortführung seines großzügigen Lebensstils bald wieder auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen sein würde und es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass er sein Verhalten aufgrund intensivem Alkoholkonsum nicht kontrollieren konnte. Ein Absehen von den geltend gemachten Ersatzansprüchen aufgrund von Härte für den Kläger hat das Gericht nicht angenommen.


Joachim Mohr
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht und Familienrecht, Mediator



← zurück
Diese Website nutzt Cookies, um die bestmögliche Funktionalität bieten zu können. Mehr Informationen