nach oben
Kanzlei, Rechtsanwalt, Gießen
20.03.2019
Gemeinschaftliches Testament

Wann löst ein "Verlangen" des Pflichtteils die Pflichtteilsstrafklausel aus?

Haben die Ehegatten ein Berliner Testament in der Weise errichtet, dass sie sich wechselseitig zu Alleinerben und ihre Kinder zu Schlusserben einsetzen, werden die Kinder durch den Tod des zuerst Versterbenden faktisch enterbt, da das Vermögen des Erblassers mit dem Vermögen des Überlebenden verschmilzt. Sie könnten dann den Pflichtteil von dem überlebenden Elternteil verlangen. Verstirbt nun auch der andere Teil, so würde das pflichtteilsberechtigte Kind Erbe des Vermögens des Zweitversterbenden werden und somit auch das darin enthaltene Vermögen des Erblassers im ersten Todesfall erhalten, obwohl zu der Zeit nur der Pflichtteil geltend gemacht wurde. Um dieser Ungerechtigkeit vorzubeugen, kann man eine sog. Pflichtteilsstrafklausel im Testament aufnehmen, durch die der oder die Pflichtteilsberechtigte auch im zweiten Erbfall nur den Pflichtteil verlangen kann.

Ob das Eingreifen einer solchen Klausel auch schon dann eintritt, wenn der Pflichtteilsberechtigte beim ersten Erbfall die Erbenstellung des überlebenden Elternteils angreift, hat nun das OLG München in einem Beschluss vom 06.12.2018 entschieden (31 Wx 374/17).

 

Tochter hatte Einziehungsverfahren nach dem Tod des Vaters veranlasst

Nachdem der Vater im Jahr 2008 verstarb und dessen Ehefrau aufgrund des Berliner Testaments Alleinerbin wurde, hatte die gemeinsame Tochter ein Einziehungsverfahren hinsichtlich des ausgestellten Erbscheins veranlasst, um die Erbenstellung der Mutter zu beseitigen. Sie war der Meinung, dass das Testament aufgrund von Auffälligkeiten hinsichtlich des Testierwillens und der Testamentsurkunde selbst unwirksam sei und der erteilte Erbschein somit unrichtig. Der Antrag wurde jedoch zurückgewiesen. Nachdem die Mutter ebenfalls verstorben ist, hatte sie einen Erbschein beantragt, der sie neben ihrem Bruder als Miterbin zu ½ ausweisen sollte.

 

Bruder beruft sich auf die Pflichtteilsklausel

Der Bruder hat sich hingegen auf die Pflichtteilsklausel im Testament seiner Eltern berufen. Hiernach sollte das Kind, das beim Versterben des ersten Elternteils den Pflichtteil verlangt, beim Tod des längerlebenden Teils von dessen Erbfolge ausgeschlossen werden. Unter „Verlangen“ sei vor dem Hintergrund des Einziehungsverfahrens auch schon die Bekämpfung der Erbenstellung des überlebenden Elternteils zu verstehen. Dies führe dazu, dass ein beantragter Erbschein ihn als Alleinerben seiner Mutter ausweisen müsse.

 

Veranlasste Erbscheinseinziehung stellt kein „Verlangen“ dar

Das Gericht wies die Beschwerde des Sohnes ab. In dem durch die Tochter angestrebten Einziehungsverfahren sei kein „Verlangen“ im Sinne der Klausel zu verstehen. Die Tochter werde somit neben ihrem Bruder Miterbin.

 

Eingreifen der Pflichtteilsklausel hat individuelle Voraussetzungen

Die Pflichtteilsklausel bewirke, dass die Schlussserbeneinsetzung der Kinder nur unter der auflösenden Bedingung des Verlangens des Pflichtteils erfolgt. Intention einer solchen Klausel sei es, dem Überlebenden das Vermögen ungeschmälert zukommen zu lassen und den Nachlass für diesen lebzeitig erhalten zu wollen. Ferner solle eine Übervorteilung eines der Kinder dadurch vermieden werden.

Wann eine solche Klausel jedoch verwirklicht ist, sei auf der Grundlage der Gestaltung und des Willens der Erblasser zu beurteilen. Bei Unklarheiten könne demnach eine Auslegung erfolgen.

 

Nur „aktives Verlangen“ löst Strafklausel aus

Vorliegend kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass es in diesem Fall nicht ausreiche, wenn ein Kind ein Einziehungsverfahren mit der Intention, die Alleinerbenstellung des überlebenden Elternteils zu beseitigen, anstrebt. Vielmehr müsse aktiv ein Anteil am Nachlass verlangt werden, auch wenn es dazu nicht erforderlich sei, dass eine bezifferte Summe geltend gemacht wird. Eine Sanktionierung für die bloße Beseitigung einer Erbenstellung konnte das Gericht dem Willen der Erblasser nicht entnehmen.

Im Ergebnis beerben also beide Kinder ihre verstorbene Mutter.

 

Praxistipp

Sollten Sie ebenfalls die oben genannten Intentionen einer Pflichtteilsklausel für Ihr Testament wünschen, ist eine rechtliche Beratung die Ausformulierung betreffend anzuraten. Die Notwendigkeit einer gerichtlichen Auslegung birgt die Gefahr eines vom Erblasserwillen abweichenden Ergebnisses und ist zudem mit Zeit und Kosten für die Beteiligten verbunden.


Joachim Mohr
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht und Familienrecht, Mediator



← zurück
Diese Website nutzt Cookies, um die bestmögliche Funktionalität bieten zu können. Mehr Informationen