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Kanzlei, Rechtsanwalt, Gießen
13.03.2019
„Für den Fall, dass ich (…) tödlich verunglücke“

Echte rechtliche Bedingung oder nur Beweggrund der Testamentserrichtung?

Anders als im Fall der bedingten Erbeinsetzung verbunden mit einer Besuchspflicht (Artikel vom 06.03.2019), hatte das Kammergericht hier nicht über die Wirksamkeit einer Bedingung zu entscheiden, sondern darüber, ob die oben genannte testamentarische Formulierung überhaupt eine echte Bedingung darstellt. (KG 6 W 10/18).

 

Nachträglich eingereichtes Testament wirft Fragen auf

Nach dem Tod der Erblasserin stellte das Nachlassgericht im Februar 2017 einen Erbschein aus, der die gesetzliche Erbfolge auswies. Hiernach erbten die beiden Kinder der Erblasserin ihr Vermögen je zur Hälfte. Vier Monate später fand sich jedoch ein Testament der Erblasserin, in dem sie anderes bestimmt hatte. Hierin hieß es: „Für den Fall, dass ich heute, am 26.11.99 tödlich verunglücke, fällt mein gesamter Nachlaß (Haus, Auto, Konto und persönliche Sachen) zu gleichen Teilen an (…)“: Nachfolgend aufgeführt waren nicht nur die beiden Kinder, sondern auch ihr geschiedener Ehemann, mit dem sie bis zu ihrem Tod ein gutes Verhältnis pflegte.

Nach eingehender Befragung aller Beteiligten zu den Vorstellungen und Wünschen der Erblasserin, zog das Nachlassgericht den Erbschein ein. Dieser sei unrichtig, weil das nachträglich eingereichte Testament bis zu ihrem Todestag Geltung gehabt habe und auf Grund dessen gerade keine gesetzliche Erbfolge eintrete.

Der Sohn erhob gegen diesen Beschluss Beschwerde. Das Nachlassgericht legte den Fall dem Kammergericht vor.

 

Erforschung des Erblasserwillens durch Auslegung

 

Gewillkürte oder gesetzliche Erbfolge?

Das Nachlassgericht hatte zutreffend festgestellt, dass die streitige Formulierung einer Auslegung bedarf, mit deren Hilfe der wahre Erblasserwille zu ermitteln ist. Vorliegend könnte die Verstorbene nämlich entweder eine echte Bedingung aufgenommen haben, die das Testament in dem Fall unwirksam werden lässt, dass sie nicht an dem eingangs genanntem Tag im November 1999 verstirbt oder lediglich das Motiv zur Testamentserrichtung niedergeschrieben haben, sodass die Urkunde weiterhin Bestand hätte, auch wenn der Tod nicht eintritt. Die Frage entschied somit darüber, ob eine gesetzliche oder gewillkürte Erbfolge stattfindet.

 

Kriterien zur Abgrenzung

Um herauszufinden, ob es sich um eine echte Bedingung handelt, sei laut dem Gericht entscheidend, wie sich das mögliche Ereignis, also der mögliche Tod im November 1999, zu der testamentarisch angeordneten Erbfolge, also der Erbeinsetzung aller drei Beteiligten, verhält. Bestehe hier eine Verknüpfung, so sei davon auszugehen, dass es sich um eine echte Bedingung handelt. Sei dies nicht der Fall, so sei davon auszugehen, dass die Regelungen auch bei einem Tod unter anderen Umständen Bestand haben sollen und somit keine echte Bedingung vorliegt, die das Testament bei Nichteintritt des Ereignisses unwirksam werden lässt.

Eine solche Verknüpfung könne beispielsweise angenommen werden, wenn die in Frage stehende Formulierung direkt vor der Unterschrift steht und der Erblasser betont, dass dieses Testament „nur“ für den Fall des Eintritts des Ereignisses gelten solle.

Übertragen auf hiesigen Fall sprächen die genannten Kriterien gegen eine echte Bedingung, da sich die in Rede stehende Formulierung bereits am Anfang des Testaments befindet. Das Gericht geht überdies davon aus, dass die Erblasserin die gewählte Erbfolge auch für den Fall gewünscht hätte, sollte ihr Tod aufgrund des „allgemeinen Lebensrisikos“ an einem anderen Tag als dem besagten eintreten. Es gäbe keinen Grund, ein Testament nur für ein solches Ereignis zu errichten. Vielmehr hätte sie damit der Vermeidung von Streit vorbeugen und die Betreuung ihres Sohnes durch dessen Vater sicherstellen wollen.

Weiterhin gegen die Aufnahme einer echten Bedingung spreche, dass die Erblasserin das Testament ursprünglich im Jahr 2006 ändern wollte. Dies bedeute im Umkehrschluss, dass sie seitdem davon ausging, dass das Testament weiterhin Wirkung entfalte, obwohl der Tod am 26. November 1999 nicht eingetreten ist.

 

Fazit

Im Ergebnis hat das Nachlassgericht den Erbschein zu Recht eingezogen, da es sich nicht um eine echte rechtliche Bedingung handelt, sondern nur um das Motiv, auf Grund dessen die Erblasserin das Testament verfasst hat. Es gilt somit nicht die gesetzliche Erbfolge. Alle drei Beteiligten wurden Miterben zu je einem Drittel.

 

Praxistipp

Um das verspätete Auffinden eines Testaments zu verhindern, empfiehlt sich eine Hinterlegung desselben beim Nachlassgericht. Die Kosten hierfür sind überschaubar und Ihr Testament ist sicher verwahrt. Sie können es jederzeit aus der Verwahrung holen, dann verliert es aber auch seine Gültigkeit. Auch ein während der Dauer der Verwahrung neu errichtetes Testament lässt das hinterlegte unwirksam werden.

Der vorliegende Fall zeigt deutlich, dass nur eine Formulierung eine Erbfolge grundlegend ändern kann. Daher sollte ein Testament in der Weise verfasst werden, dass es erst gar keiner Auslegung bedarf. Nur so kann sichergestellt werden, dass dem Erblasserwillen Geltung verschafft wird. Andernfalls muss im Streitfall mit einer gerichtlichen und möglicherweise anderslautenden Auslegungsentscheidung gerechnet werden. Zudem hätte der oder die Verstorbene ein solches Verfahren vermutlich vermeiden wollen, hätte er oder sie um die Problematik der fraglichen Formulierung gewusst.


Joachim Mohr
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht und Familienrecht, Mediator



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